Neues Verbraucherrecht tritt in Kraft

Ab 0:00 Uhr gelten neue Widerrufsbelehrungen

Fachanwalt Dr. Sprinegr
Dr. Springer rät, sich zu wehren

In der Nacht zum morgigen Freitag, 13.06.2014, treten einschneidende Änderungen bei den Verbraucherschutzbestimmungen für Fernabsatzgeschäfte in Kraft. Eine Übergangsfrist ist nicht vorgesehen.

Ab 0:00 Uhr gilt das neue Gesetz zur „Umsetzung der Verbraucherrechte Richtlinie und zur Änderung des Gesetzes der Wohnungsvermittlung“, mit dem weite Teile des Deutschen Verbraucherrechts neu geregelt werden.

Insbesondere für Betreiber eines Online-Shops oder Anbietern von Leistung im Fernabsatz werden die neuen Regelungen erhebliche Änderungen zur Folge haben, auf welche insbesondere in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, aber auch in Widerruf- und Rückgabebelehrungen eingegangen werden muss. Das Gleiche gilt auch für die Pflichtangaben auf Bestellseiten im Internet.

Bei folgenden Punkten besteht für Anbieter von Online-Shops dringender Handlungsbedarf (bitte beachten Sie, dass diese Auflistung möglicherweise nicht vollständig ist):

1. Neue Informationspflichten für den Fernabsatz
Die im Falle des Abschlusses von Fernabsatzverträgen und generell im elektronischen Rechtsverkehr schon bestehenden  zahllosen Informationspflichten werden erneut erweitert. Darüber hinaus wird eine Reihe neuer Informationspflichten für den stationären Handel eingeführt.

Beim Abschluss von Fernabsatzverträgen muss der Unternehmer künftig, insbesondere fol-gende Informationen zur Verfügung stellen:

  • seine Telefonnummer und gegebenenfalls seine Telefaxnummer und E-Mail-Adresse;
  • die Zahlungs-, Liefer- und Leistungsbedingungen;
  • den Termin, bis zu dem der Unternehmer die Ware liefern oder die Dienstleistung erbringen muss;
  • das Bestehen eines gesetzlichen Mängelhaftungsrechtes für die Waren;
  • das Bestehen und die Bedingungen von Kundendienst, Kundendienstleistungen und Garantien;
  • ggf. das Verfahren des Unternehmens zum Umgang mit Beschwerden.


Im Bereich des elektronischen Geschäftsverkehrs sind die Informationspflichten ebenfalls nochmals erweitert worden. So muss der Unternehmer zum Beispiel im elektronischen Geschäftsverkehr mit Verbrauchern künftig spätestens bei Beginn des Bestellvorgangs klar und deutlich angeben, ob Lieferbeschränkungen bestehen und welche Zahlungsmittel akzeptiert werden.

Rein vorsorglich weisen wir darauf hin, dass bestimmte Informationspflichten, wie sie bei Fernabsatzverträgen bereits seit Langem bekannt sind, künftig auch für den stationären Handel geltend, dort allerdings nur insoweit, als sich die Informationen nicht bereits aus den Umständen ergeben. Ausgenommen sind außerdem Geschäfte des täglichen Lebens. Bitte beachten Sie insoweit Artikel 246 EGBGB.

2. Änderungen beim Widerrufs- und Rückgaberecht
Die Möglichkeit des Verbrauchers, sich innerhalb einer bestimmten Frist von einem Fernabsatzvertrag wieder zu lösen, sind weitgehend neu geregelt worden. Das Geringste ist dabei noch der Wegfall des Rückgaberechts, welches bisher unter Umständen an die Stelle des gesetzlichen Widerrufs getreten ist, das aber de facto nach unserer Einschätzung keine praktische Rolle gespielt hat. Ein Rückgaberecht – sollten Sie dieses angeboten haben – wird es jedenfalls ab dem 13.06.2014 nicht mehr geben.  So ist es zukünftig nicht mehr möglich, die Ware quasi als konkludenten Widerruf einfach an den Unternehmer zurückzusenden. Der Gesetzgeber hat von dem Modell der Rückgabe generell Abstand genommen. Die bislang bestehende Möglichkeit der Rücksendung hat in der Praxis nämlich häufig zu Unklarheiten geführt, weil für den betroffenen Unternehmer nicht erkennbar war, ob mit der Rücksendung ein Widerruf verbunden sein sollte oder ob der Kunde lediglich Mängelansprüche geltend machen wollte.

Stattdessen ist auch das Widerrufsrecht weitgehend neu geregelt worden. So wird es zukünftig nur noch eine einheitliche Widerrufsfrist von 14 Tagen geben, die bislang in bestimmten Fällen anwendbare Frist von einem Monat entfällt ersatzlos.

Anders als bisher wird der Widerruf bei einer fehlerhaften Belehrung auch nicht mehr unbefristet möglich sein. Zwar beginnt die Widerrufsfrist auch künftig erst zu laufen, wenn der Unternehmer dem Verbraucher im vorgeschriebenen Umfang über sein Widerrufsrecht belehrt hat. Unterbleibt die Belehrung und wird sie auch nicht innerhalb eines Jahres nachgeholt, endet die Widerrufsfrist gleichwohl in jedem Fall nach Ablauf von 12 Monaten und 14 Tagen ab Vertragsschluss.

Immerhin ist positiv anzumerken, dass künftig auch nur die unvollständige oder falsche Belehrung über das Widerrufsrecht den Lauf der Widerrufsfrist hemmt. Die Verletzung sonstiger Informationspflichten nach Artikel 246 EGBGB sind für den Lauf der Widerrufsfrist nicht mehr von Bedeutung.

Der Verbraucher erhält erweiterte Erleichterungen zur Ausübung des Widerrufsrechtes, weil die Widerrufserklärung zukünftig an keine besondere Form mehr gebunden ist. Der Widerruf kann daher zum Beispiel auch telefonisch erklärt werden. Entscheidend ist allein, dass der Entschluss des Verbrauchers zum Widerruf aus seiner Erklärung eindeutig hervorgeht. Dies ist von dem Unternehmer zwingend zu beachten; es erschwert die Bewertung der kundenseitigen Erklärungen.

Bitte beachten Sie, dass das Gesetz zukünftig ein Muster-Widerrufsformular anbietet, das der Verbraucher für seine Erklärung verwenden kann (aber nicht muss). Der Unternehmer muss den Verbraucher über das Bestehen eines solchen Muster-Widerrufsformulars informieren und in der Widerrufsbelehrung ausdrücklich Bezug hierauf nehmen.

Da die gesetzlich vorgeschriebene Gestaltung leider wenig anwenderfreundlich ist, bieten wir ausdrücklich an, Ihnen bei der Neufassung Ihrer Widerrufsbelehrung zu helfen. Bitte sprechen Sie uns bei Bedarf an. Bitte beachten Sie auch, dass Sie den Verbrauchern den Widerruf ergänzend auch über ein hierzu bereitgehaltenes Web-Formular ermöglichen können, bei dessen Gestaltung wir Ihnen ebenfalls gern behilflich sind.

Bitte beachten Sie auch, dass die gesetzlichen Musterwiderrufsbelehrung künftig deutlich komplexer aufgebaut ist, als die bislang geltende Fassung. Es werden zahlreiche Fallkonstellationen unterschieden, die bei vielen Unternehmen parallel vorkommen und die bislang von einer einheitlichen Widerrufsbelehrung erfasst werden konnten. Sollten Sie insoweit Unterstützungsbedarf haben, müssten wir Ihr aktuelles Geschäftsmodell nochmals kurz telefonisch besprechen, bevor wir eine Widerrufsbelehrung für Sie gestalten können. Hierbei sind mehrere Weichenstellungen zu treffen.

3. Substantielle Änderungen im Widerrufsrecht
Die Neuregelung des Widerrufrechtes gilt auch für Dienstleistungen und nunmehr auch den Software-Download. Hierbei treten naturgemäß Schwierigkeiten bei der Rückgewähr bezogener Leistungen durch den Verbraucher zu Tage. Insoweit gilt aber eine Neuregelung in § 356 BGB. Aufmerksamkeit möchten wir insbesondere auf die Absätze 2 und 5 lenken.

§ 356 Abs. 2 regelt die Berechnung des Laufes der Widerrufsfrist, welche grundsätzlich erst mit Erhalt der Ware durch den Kunden beginnt. Es ist klargestellt, dass bei Teillieferungen maßgeblich ist die Lieferung des letzten Teils, bei wiederkehrenden Leistungen (Abonnements) jedoch der Erhalt der ersten Warenlieferung.

Bei der Erbringung von Dienstleistungen und der Lieferung von Software, die nicht auf einen Datenträger geliefert wird, faktisch also beim Download erlischt das Widerrufsrecht mit vollständiger Erbringung bzw. Beginn der Ausführung des Downloads. Dies ist eine Regelung, die den Schwierigkeiten bei der Rückgewähr bezogener Leistungen Rechnung trägt. Allerdings muss auf diese Rechtsfolge nicht nur mit Beginn der Ausführung des Vertrages hingewiesen werden, sonder auch ein Einverständnis mit dem Verbraucher vereinbart sein. Im Ergebnis wird man also entsprechende Bestimmungen in die Allgemeinen Geschäftsbedingungen aufnehmen müssen.
Bitte beachten Sie auch, dass die insoweit erforderlichen ergänzenden Hinweise nicht Bestandteil der gesetzlichen Musterwiderrufsbelehrung sind. Diese müssen gegebenenfalls individuell ergänzt werden.

4. Neuregelung zur Lieferung digitaler Inhalte
Mit der Gesetzesreform werden erstmals auch spezielle Informationspflichten für den Ver-trieb digitaler Inhalte (z.B. E-Books, Musikdateien oder Software, die als Download angeboten werden) eingeführt.

Soweit Sie solche Inhalte anbieten, müssen Sie künftig gegebenenfalls über deren Funktionsweise, einschließlich der anwendbaren technischen Schutzmaßnahmen für diese Inhalte informieren. Außerdem müssen Sie darüber aufklären, welche Beschränkungen der Interoperabilität und der Kompatibilität mit Hard- und Software bestehen, sofern Ihnen solche Beschränkungen bekannt sind, oder bei Aufwendung der fachlichen Sorgfalt bekannt sein müssten.

Auch beim Verkauf digitaler Inhalte im Wege des Downloads müssen Sie dem Verbraucher zukünftig nicht nur ein Widerrufsrecht anbieten, sondern diesen auch noch darauf hinwei-sen.

Wenn Sie digitale Hinweise per Download vertreiben, ist also künftig besondere Sorgfalt bei der Gestaltung des Bestellablaufs erforderlich. Holen Sie die genannten Erklärungen des Kunden nicht ein, kann der Kunde seinen Vertrag widerrufen, ohne dass Ihnen ein Wertersatzanspruch zusteht. Ein Kunde könnte zum Beispiel einen Vertrag über ein E-Book, das er bereits innerhalb der Widerrufsfrist ausgelesen hat, widerrufen und den vollen Kaufpreis zurückverlangen.

5. Übermittlung einer Vertragsabschrift
Ergänzend zu den bisher ohnehin schon sehr umfangreichen Informationen für den Verbraucher-Kunden bei Fernabsatzverträgen besteht zukünftig die neue Pflicht, dem Verbraucher eine Bestätigung des Vertrages, in der der Vertragsinhalt wiedergegeben ist, auf einem dauerhaften Datenträger (entspricht wohl der bisherigen Textform) zur Verfügung zu stellen. Dies muss innerhalb angemessener Frist nach Vertragsschluss, bei Warenlieferungen spätestens mit Lieferung, bei Verträgen über Dienstleistungen vor deren Ausführung geschehen.


6. Zusammenfassung
Nach den Erfahrungen, die die letzten Änderungen im Verbraucherschutzrecht gewährt haben, gehen wir davon aus, dass jedwede Verletzung oben angeführter zusätzlicher Fristen nicht nur Zweifel an der Wirksamkeit eines Vertrages oder eine Verlängerung mit der Widerrufsmöglichkeiten zur Folge hat, sondern überdies auch als Wettbewerbsverletzung gewertet werden. Wir können Ihnen daher nur dringend empfehlen, ab kommenden Freitag die neuen Verbraucherschutzbestimmungen umzusetzen. Anderenfalls drohen kostenpflichtige Abmahnungen von Mitbewerbern.

Um sich auf den 13.06.2014 vorzubereiten, sollten Sie insbesondere

  • Ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen auf etwaigen Änderungsbedarf überprüfen,
  • eine neue Widerrufsbelehrung nach dem neuen gesetzlichen Muster unter Berücksichtigung Ihres gesamten Sortimentes vorbereiten,
  • prüfen, ob Ergänzungen der Musterwiderrufsbelehrung erforderlich sind, etwa weil Sie für bestimmte Fälle über das Erlöschen des Widerrufrechts informieren müssen,
  • das Musterwiderspruchsformular vorbereiten, dass Sie Ihren Kunden zusammen mit der Widerrufsbelehrung zur Verfügung stellen müssen,
  • entscheiden, ob Sie Ihren Kunden künftig einen Widerruf auch per Online-Formular ermöglichen wollen und dies technisch vorbereiten (die URL für das Formular sollte möglichst kurz sein, weil Sie in der Widerrufsbelehrung angegeben werden muss),
  • Ihre Geschäftsprozesse so anpassen, dass künftig zum Beispiel auch telefonisch erklärte Widerrufe zuverlässig erfasst und beachtet werden, hierfür wird es zumindest erforderlich sein, Ihre Mitarbeiter über die Gesetzesänderung zu informieren,
  • den Umstellungszeitpunkt für die Widerrufsbelehrung am Freitag festlegen und die Umstellung konkret planen und vorbereiten,
  • Informationen zu etwaigen Lieferbeschränkungen und den zur Verfügung stehenden Zahlungsmitteln am Beginn des Bestellablaufs ergänzen,
  • prüfen, ob alle sonstigen Informationspflichten erfüllt werden und fehlende Informationen gegebenenfalls ergänzen,
  • im Falle des Vertriebs von digitalen Inhalten im Wege des Downloads die vorgeschriebenen Informationen zu den technischen Schutzmaßnahmen und zur Interoperabilität und Kompatibilität ergänzen sowie die notwendigen Zustimmungen und Bestätigungen des Kunden möglichst beweissicher in den Bestellablauf integrieren,
  • die Vertragskommunikation mit den Kunden (insbesondere Bestätigungs-E-Mails) darauf überprüfen, ob der gesamte Vertragsinhalt (einschließlich AGB) und auch die übrigen vorgeschriebenen Informationen rechtzeitig an die Kunden übermittelt werden.

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